Geschichte Welschnofens

208597[46899].jpg

Die Gemeinde Welschnofen breitet sich am Fuße der Gebirgsstöcke des Rosengarten und Latemar aus und erstreckt sich von 850 bis 2842 m.ü.M. Sie umfasst mit einer Fläche von 50,8 km² das eigentliche Dorf Welschnofen (1180 m.ü.M.) ebenso wie das weite Almgebiet um den Karer See mit den dichten Waldungen am Fuße des Latemar. Heute zählt die Gemeinde rund 1.900 Einwohner, die zu 96 % der deutschen Volksgruppe angehören.
 
Die erste Nennung „noue“ erfolgte 1142 in einer Schenkungsurkunde des Bischofs Hartmann von Brixen an das Kloster Neustift. 1429 taucht zum ersten Mal der Name „Welschnofen“ auf. Der Ortsname erklärt sich aus dem romanischen „(terra) nova“, was soviel wie Neubruch, Rodung bedeutet. Der Ausdruck „Welsch“ weist darauf hin, dass an dem Siedlungsaufbau ursprünglich vorwiegend Welsche, d. h. Ladinisch-Sprechende beteiligt waren. Darauf lassen auch verschiedene Flur- und Hofnamen schließen, wie Talt, Plun, Kaltrun, Zenai, Frin und andere mehr.
 
Welschnofen war nie ein wohlhabender Ort. Seine Einwohner lebten jahrhundertelang von den kargen Erträgen der Landwirtschaft. Der Getreideanbau diente immer nur der Selbstversorgung. Ein kalter und kurzer Sommer genügte, um die Bevölkerung in Not und Hunger zu stürzen. Auch die Viehzucht betrieb man nur der Selbstversorgung wegen. Der natürliche Reichtum der schönen Waldungen konnte bis zur Eröffnung der Eggentaler Straße 1860 nicht entsprechend genutzt werden, da der Abtransport des Holzes sehr mühselig war. Eine gewisse Bedeutung erlangte der Verkauf von Lörget (Lärchenharz), Pigl (Holzteer) und Holzkohle. Welchen Stellenwert der Eisenerzabbau am Latemar für Welschnofens Wirtschaft im Mittelalter hatte, ist heute nicht mehr festzustellen.
 
Kloster Neustift war Jahrhunderte lang der Grundherr des Gebietes. Die auf den Höfen lebenden und arbeitenden Bauern waren zu jährlichen Abgabenlieferungen verpflichtet, welche sie aber aufgrund der armseligen Lebensumstände oft nicht termingerecht entrichten konnten.
 
Kirchlich gesehen gehörte Welschnofen zur Pfarre Völs, die ihrerseits dem Kloster Neustift unterstand. Die Welschnofner mussten einen Fußmarsch von vier Stunden in Kauf nehmen, um an den Gottesdiensten und Beerdigungen in Völs teilnehmen zu können. So bemühte man sich schon früh um die Einsetzung eines eigenen Seelsorgers vor Ort, was sich aber auf Grund der misslichen finanziellen Lage als sehr schwierig erwies.
 
Eine Kirche wird in Welschnofen erstmals 1298 erwähnt, jedoch fanden dort lange Zeit nur sporadisch Gottesdienste statt. Seit 1341 wurde Welschnofen seelsorglich durch die Völser Expositur Tiers betreut, aber erst seit 1484 scheint es einen ständigen Kuraten in Welschnofen gegeben zu haben. Seit dem 17. Jahrhundert stellte Kloster Neustift die Seelsorger und dies ist bis auf den heutigen Tag so geblieben. Die Kirchenpatrone der Ortspfarre sind der hl. Ingenuin und der hl. Albuin. Die heute bestehende Kirche ist ein Neubau aus dem Jahre 1967. Der Kirchturm, das Wahrzeichen des Dorfes, stammt in der jetzigen Form aus dem 18. Jahrhundert.
 
Als es in Welschnofen noch keinen Friedhof gab, wurden die Leichname nach Völs, später Tiers zur Beerdigung gebracht. Im Winter, wenn der Weg über den Zischgl ungangbar war, wurden die Leichen in einer großen Totentruhe auf der Zischgl-Gstalt bis zum Frühjahr aufbewahrt.
 
Ursprünglich stand Welschnofen unter der Gerichtsbarkeit der Herren von Völs und ging später in die Gerichtsbarkeit Karneid über.
Das Gericht war zuständig für die gesamte politische Verwaltung und für die Rechtspflege, für die Einhebung von Steuern, für die Landesverteidigung, für die öffentliche Sicherheit sowie für die Instandhaltung der Verkehrswege, die Armenpflege und die Nutzung der Wald- und Weiderechte. Auch verwaltungsmäßig unterstand Welschnofen zusammen mit den Vierteln Karneid, Steinegg und Gummer als Fraktion der Gemeinde Karneid.
 
Ein Teil der Grenzen des Gerichtes fiel mit den Grenzen der beiden Bistümer Trient und Brixen (Eggentaler Bach, Fötschenbach, Latemar) zusammen. Welschnofen gehörte im Gegensatz zu Deutschnofen, welches unter den Bischöfen von Trient stand, bis 1818 dem Bistum Brixen an, dessen Bischof vom Mittelalter und herauf bis in die Neuzeit zugleich die höchste weltliche und kirchliche Autorität darstellte.
 
Die beiden Pestepidemien 1347-1349 und 1635-1837 dezimierten die Bevölkerung besonders stark.
 
1779 geht zum ersten Mal die Rede von einer Trivialschule in Welschnofen.
 
Das 19. Jahrhundert brachte für Welschnofen viele Veränderungen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Natur mit sich. Die jahrhundertelangen Bemühungen um die Lostrennung von der Großgemeinde Karneid gelangen im Anschluss an die Errichtung der Straße durch das Eggental 1860. Mit dieser Verbindung zu Bozen bahnten sich neue wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten für das Dorf an: Holzwirtschaft, Alpinismus, Tourismus. Am 01.01.1870 beginnt die Geschichte Welschnofens als eigenständige Gemeinde.
 
Am Ende des 19. Jahrhunderts unterstrich der Alpinist Dr. Theodor Christomannos die Notwendigkeit, Welschnofen mit dem Karer Pass und mit der Gemeinde Vigo di Fassa durch eine Straße zu verbinden. Die Öffnung der in herrlicher Landschaft gelegenen Dörfer für den Tourismus sollten Arbeit und neuen Wohlstand ins Tal bringen.
 
Christomannos ließ auch das Grand-Hotel-Karersee erbauen, welches zugleich mit der neuen Straße zum Karer Pass 1896 eingeweiht wurde. Illustre Persönlichkeiten aus vielen Ländern Europas und aus Übersee besuchten dieses First-Class-Hotel, wie Kaiserin Sisi, der österreichische Schriftsteller Arthur Schnitzler, die englische Kriminalschriftstellerin Agatha Christie, Karl May, Winston Churchill u.v.a. Die Straße durch das Eggental war für den sich entwickelnden motorisierten Verkehr gesperrt, aus Rücksicht auf die vielen Hotelgäste, die in ihrer Ruhe mitten in der unberührten Natur nicht gestört werden sollten.
 
Während des Ersten Weltkriegs wurde das Verbot aufgehoben, die Dolomitenfront war nur wenige Kilometer entfernt, und die Straße diente als Nachschubroute für die Truppen. Während des Krieges erbauten russische Kriegsgefangene die Nigerstraße. Viele starben an Kälte und Entbehrung und wurden beim St.-Josefs-Kirchlein in Karersee beerdigt.
 
Die Zwischenkriegszeit war für Welschnofen eine sehr schwierige Zeit, die besonders durch die Abtrennung von Österreich 1919 und den in der Folge einsetzenden Faschismus geprägt war. Alles Deutsche wurde verboten, der Name Welschnofen zunächst durch „Nova Italiana“, dann durch „Nova Levante“ ersetzt. Aufgrund der wirtschaftlichen Not und der politischen Umstände wanderten in der ersten Hälfte der 30er Jahre mehrere Familien nach Dreizehnlinden in Brasilien aus. Während der Optionszeit optierten 96% für Deutschland, ausgewandert sind an die 150 Menschen.
 
Einen nie da gewesenen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte das Gebiet nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Menschen fanden im Tourismus und in der Holzwirtschaft viele neue Arbeitsplätze. Innerhalb einiger Jahrzehnte veränderte sich das Ortsbild radikal: Hotels entstanden, Einfamilienhäuser wuchsen aus dem Boden, verschiedene Infrastrukturen wie Lifte in Karersee, Schwimmbad, Sportzentrum, Vereinshaus etc. sollten den Touristen ihren Aufenthalt so schmackhaft wie möglich machen. Viele Kleinbauern gaben die Landwirtschaft auf und fanden Arbeit im Tourismusgewerbe. Welschnofen war zu einem Touristenzentrum geworden.
 
Auch heute spielt der Tourismus noch eine große Rolle, während die Holzwirtschaft aufgrund der niederen Preise an Bedeutung verloren hat. In den 90er Jahren entwickelte sich das Phänomen des Pendlertums. Immer mehr Menschen finden Arbeit im nahe gelegenen Bozen.
 
Text: Elmar Pattis